Manchmal findet man Bücher, die für mehr als einen Moment unsere Welt schöner machen. Texte, die uns nicht einfach nur begleiten, sondern die etwas auslösen. Oder finden diese Bücher uns?
Manche Zeilen vermögen es, fast schicksalhaft zu erscheinen. Man findet sich in den Geschichten, die sie erzählen, sofort wieder und auf einmal sind sie da, die Sätze, für die einem selbst bisher die Worte fehlten. Umso großartiger, wenn es davon gleich eine Vielzahl gibt. Einige Gedanken brennen sich ins Gedächtnis, manche Passage erscheint sofort unvergesslich in ihrer Schönheit, Intensität oder in der Treffsicherheit ihrer Beschreibung. Unvergleichlich, ein Buch zu finden, das uns mit großer Leichtigkeit in unser Inneres schauen lässt und ganz nebenbei noch neue Perspektiven eröffnet. Das es schafft, dass aus schlechter Laune gute wird und aus Tatenlosigkeit unermessliche Energie für eigene Pläne. Das neuen Glauben an Dinge auslöst. Es grenzt an ein kleines Wunder und ist in jedem Fall ein Moment mit großem Zauber.
Eines dieser Bücher ist „Das große Los“ von Meike Winnemuth. Fabelhaft, wunderbar, lebensfroh mit jeder Zeile. Als ich vor einigen Wochen in einem Buchladen in Kassel zum ersten Mal die Hardcover-Ausgabe in den Händen hielt, konnte ich noch gar nicht ahnen, wie sehr mich dieses Buch begeistern würde und welche Bedeutung es für mich bekommen könnte. Vielleicht sind die besten Bücher (und die besten Ereignisse) die, die einem einfach in die Hände fallen, die auf einmal einfach da sind. Und die etwas in einem bewegen.
In meinem Regal sehen fast alle Bücher sehr ordentlich aus. So, dass man gerade erkennen kann, dass sie wohl schon einmal gelesen wurden. Einige von ihnen sind aber auch zerschlissen, zerlesen, an den Rändern ausgefranster, mit geknicktem Einband. Und das nicht etwa, weil sie mir weniger bedeuten und ich deswegen weniger sorgsam mit ihnen umgehe, sondern weil deren Zeilen mir in kurzer Zeit so viele Gedankenwege, Erkenntnisse, Ideen schenken, dass ich sie überall mit hin nehmen möchte. Nun ja, das sieht man dann leider auch. Ihr lieben Bücher, es tut mir wirklich immer sehr leid.
In „Das große Los“ erzählt Meike Winnemuth auf unglaublich leichtfüßige und intelligente Art in Form von monatlichen Briefen von ihrer Weltreise: Sie gewann bei Wer wird Millionär 500.000 Euro und brach auf, um ein Jahr lang jeden Monat in einer anderen Stadt zu leben. Ausschweifend viel geplant wurde nicht, ausschweifend viel erlebt umso mehr. (Und mich bestärkt es darin, Reisen viel weniger zu planen als gemeinhin als notwendig erachtet wird. Sich von einem Land und einer Stadt treiben lassen, selbst Dinge zu entdecken und nicht nur aufgestellte Pläne „abzuarbeiten“, dem Zufall eine Chance zu geben – ich glaube, so kann man am Ende am meisten für sich selbst mitnehmen.)
„Das große Los“ hat von der ersten Zeile an etwas in mir ausgelöst und verstärkt. Mich in Plänen, die es bereits gab, weiter bestärkt. Es war die bestmögliche Leseerfahrung zum genau passenden Zeitpunkt. Und es ist großartig. Vielleicht ist das Buch für mich auch so besonders, weil es mir mit den Worten „Das musst du lesen, mich hat so viel darin an dich erinnert!“ von meiner Mama übergeben wurde. Und ja, gerade in dem Brief an das jüngere Ich von Meike Winnemuth habe ich mich wieder erkannt. Und laut gelacht, als ich feststellte, dass die Autorin auch noch am gleichen Tag Geburtstag hat. Vielleicht ist es normal, dass man sich in Büchern, die einem wichtig sind, an vielen Stellen wieder erkennt oder wieder zu erkennen glaubt. Aber vielleicht ist es auch ein wunderbarer Zufall, dass ich gerade jetzt in der Zeit meiner Reiseplanung darüber stolperte.
Vielleicht gibt es kaum etwas, das uns so sehr bereichert wie das Reisen, das neu entdecken, das Dinge zum ersten Mal tun. Oder zum ersten Mal richtig tun. Eine faszinierende Frage, was verschiedene Städte mit uns machen, wie das Reisen uns selbst verändert, prägt, uns sicher Geglaubtes in Frage stellen und Möglichkeiten völlig neu bewerten lässt. Reisen macht neue Welten im Kopf und im Herzen auf, schenkt uns neue Begegnungen – und es zeigt uns, dass wir kaum so viel über die Welt und das Leben und vielleicht auch uns selbst wissen, wie wir immer dachten.
Und ein besseres Buch über das Reisen als „Das große Los“ lässt sich für mich aktuell vermutlich kaum finden. Ich könnte darüber fast ein eigenes Buch schreiben, weil es mich so berührt und begeistert hat. Allerdings gehe ich jetzt lieber mit meinem Exemplar, den verschiedenen angemarkerten Stellen und meinen Gedanken raus und spiele Kopfkino.
Falls es durch diesen Beitrag nicht angemessen deutlich wurde: „Das große Los“ ist fabelhaft. Wenn ich könnte, würde ich diese Leseempfehlung mehrfach aussprechen. Daher: Lest es, lest es, lest es!