Ich wage es kaum zu schreiben, aber möglicherweise hat es mich ein bisschen gefangen, dieses Laufen. Gestern Morgen noch fragte ich mich und wir uns, was wir da eigentlich im Begriff waren zu tun. Es ist ja auch völlig verrückt: Da quälten wir uns in der Oberstufe zwei Mal jährlich durch den von der Schule vorgegebenen 3 Kilometer-Lauf, fanden es mit jedem Mal schrecklicher, auf das Training pflegten wir großzügig zu verzichten. Und heute, sieben Jahre später, melden wir uns freiwillig (!) und indem wir einen Teilnahmebetrag zahlen (!!) für einen Lauf an, der auch noch zwei Kilometer länger (!!!) ist.
Ja, 5 Kilometer sind für euch Lauferfahrene jetzt ganz niedlich. Aber für den Anfang ist es eine wirklich gute Distanz. Wahnsinnig viel trainiert habe ich vorher, zugegeben, dann doch auch wieder nicht. Eigentlich habe ich vor etwa zwei Wochen mal wirklich angefangen. Vor zwei Monaten lief ich drei Wochen lang ein Mal die Woche, dann aufgrund von Schmerzen wochenlang nicht. In der letzten Woche war ich wirklich gut dabei, aber von gewissenhaftem Training möchte ich insgesamt jetzt nicht sprechen. Die Distanz? Auf meiner Standard-Strecke etwa 4,1 Kilometer, ein einziges Mal fünf.
Dementsprechend war das wichtigste Ziel: Durchlaufen ohne Pause und es einfach schaffen, woran ich aber jetzt auch nicht wahnsinnig zweifelte. Zeitlich wollte ich unter 40 Minuten bleiben, 35 Minuten waren mein Idealziel. Dass so ein Lauf doch etwas Besonderes ist (auch so ein kleiner), merkte ich an den Daumen-drück- und Tschakka-Nachrichten, von denen mich im Lauf des Tages über Twitter, Facebook und What’s App einige erreichten. Was diese auch erreichten: Sie motivierten. Und sie machten mich zugegeben auch ein bisschen nervös…
Tja nun, dann los in den Stadtpark, ins Women’s Village. Unterlagen abholen („Wir machen das jetzt wirklich, ne“?), Nummer ans Shirt, Chip an den Schuh, umsehen. Erstmal ein Franzbrötchen essen. Warten. Nervös werden. Noch nervöser werden. Das Warm-up mitmachen. An den Start gehen, hinteres Mittelfeld.
Die größte Sorge: Gleich am Anfang einfach von allen überholt zu werden. Ich beschwor mich, am Start und während des Laufs einfach nur auf mich und mein Tempo zu achten, die anderen drumherum auszublenden, um nicht viel zu schnell zu starten (oder zu werden) und um andere nicht mein Tempo zu sehr beeinflussen zu lassen.
Noch drei Minuten, zwei. Die Gedanken ausschalten, die Playlist bereit halten.
Durchatmen. Start – und los! Da lief ich also, suchte mir meinen Platz, überholte tatsächlich direkt mal einige, blieb dabei aber in meinem Tempo. Ich lief – und es fühlte sich gut an. Es war beeindruckend – in einer großen Runde gegen Anfang konnte man sehen, wie viele da mit liefen, ich irgendwo im Mittelfeld. Ruckzuck war der erste Kilometer da, ziemlich schnell auch der zweite. Es lief sich leicht und die Meter zogen zügig vorbei. Ich überholte weiterhin hier und da, wurde natürlich auch ab und zu selbst überholt. Alles easy. ALLES EASY! Beim Laufen! Unglaublich.
Dann, Kilometer drei. Der zog sich, natürlich, das war ja schon immer so. Komm schon, weiter laufen, einfach weiter laufen. Komm schon Mando Diao, jetzt mal das mit dem Rock’n’Roll auf den Ohren. Zwei Wegweiser später: Endlich, Kilometer vier. Das Ziel war nah – oder, wie auf den großartigen Motivationsschildern zu lesen war: Umdrehen wär jetzt auch blöd. Stimmt. Zwei Lieder noch, das ist absehbar, das ist vor allem schaffbar. Ging ja doch ziemlich schnell, der ganze Spaß.
Apropos schnell: Nach einer letzten Kurve lag die Zielgerade vor mir. Wo mir im Training nach vier Kilometern gern mal die Energie für einen enthusiastischen Schlusssprint fehlte, war sie gestern wie aus dem Nichts da. Und natürlich waren einige Leute da, die kurz vor dem Ziel standen. Klatschten, jubelten, anfeuerten. Ich habe sie registriert, das hat mich motiviert, dennoch habe ich auf diesen letzten hundert Metern nichts gedacht, nur das Ziel gesehen und mich von dieser Atmosphäre und der aufeinmaldaseienden Energie nach vorne peitschen lassen. Ich sprintete die letzten hundert Meter in einem Tempo, das mich locker (!) noch mal einige überholen ließ und vor allem in einem Tempo, das mich auch einen Tag später selbst immer noch erstaunt.
Was. Für. Ein. Gefühl! Großartig! Glück, Begeisterung, Euphorie. Ob eines Laufes. Und das bei mir! Das sonstige Ausmaß der Erschöpfung blieb aus, dafür setzte sich ein Lächeln in meinem Gesicht fest. Ich glaube das alles immer noch nicht. War das gut! War das ein Endspurt! Und vor allem war das irgendwie leicht, beschwingt, gar nicht so schlimm wie sonst. Und war das ein gewaltiger Motivationsschub, doch mit dem Laufen weiter zu machen. Mega, unfassbar, Euphorie durch Sport.
Während wir morgens die Qualität der Idee mit dem Women’s Run noch nachhaltig anzweifelten, war mir die Laufsache am Nachmittag irgendwie dann doch recht klar. Selbst heute, einen Tag später, bin ich völlig motiviert, morgen wieder laufen zu gehen. Schlimmer noch: Ich würde sogar eigentlich ganz gern schon heute gehen, aber es ist ja Regeneration angesagt. Ich muss aufhören, diesen Text zu schreiben, das glaubt mir doch keiner.
Was ich mir selbst auch kaum glaubte, war meine Zeit. (Da war ja noch etwas…) Am Ziel habe ich die Uhr leider völlig unbeachtet gelassen, obwohl ich direkt daran vorbei gelaufen bin. Dann, die große Überraschung: 31,42 Minuten. 31 Minuten. 42 Sekunden. Da wäre ich fast noch mal hinten über gefallen vor lauter Euphorie. Persönliche Bestzeit, aber deutlich. Insgesamt übrigens eine Platzierung ziemlich genau im Mittelfeld. Für meinen ersten Lauf bin ich sehr zufrieden damit. Erfahrene Lauffreunde sagten mir vorher, dass die 35 Minuten für einen Laufanfänger schon gut wären. Aber 31,42 Minuten – woop woop! 6,34 Minuten pro Kilometer. 9,46 km/h im Durchschnitt.
Wie ich das jetzt genau geschafft habe, weiß ich nicht so genau. Nur, dass es großartig war. Und dass ich das noch mal machen möchte. Laufen, wenn du mich jetzt gestern nicht total zum Narren gehalten hast, dann könnte das vielleicht doch noch was werden mit uns. Ich bin fassungslos. Aber sehr froh, diesen ersten richtigen Lauf gewagt zu haben.