Heimat.

Seit Anfang August flattern mir immer wieder Beiträge zur Blogparade „Heimat? Was ist das schon?“ von Katja Wenk in die Timeline. Einige der bisher gelesenen Gedanken kenne ich von mir selbst und tatsächlich steht ein Beitrag zum Thema „Was und wo ist Heimat?“ bei mir schon seit einer gefühlten Ewigkeit auf der to do-Liste. Allerdings ist das Thema ja auch ein komplexes, obwohl es erst einmal so einfach klingt. Es ist keines, das man in wenigen Minuten, in einem winzigkurzen Beitrag abhandeln kann, und erst recht keines, auf das es eine eindeutige Antwort gibt. Wie viele Heimatbegriffe es gibt, was dieses Wort alles bedeuten und wofür es stehen kann, das kann man bei dieser Blogparade erahnen. Und ich bin froh und Katja dankbar für den endlich mal konkreten Anlass, nun wirklich mal etwas über meine Idee von Heimat zu schreiben.

Was Heimat für mich ist, das beschäftigt mich schon länger. Und auch Facebook möchte das gern in regelmäßigen Abständen von mir wissen, da ich dieses zunächst so unscheinbar anmutende Informationsfitzelchen schon immer ausgelassen habe. Die meisten Menschen tragen dort wohl einfach ihren Geburtsort ein oder den, an dem sie aufgewachsen sind. Da geht es allerdings bei mir schon los: So richtig trifft für mich keiner der beiden Orte den Begriff. Und da ich bisher nicht einmal für mich selbst eine eindeutige Antwort habe, bleibt das Feld weiterhin leer.

Geboren bin ich in Gotha, wo ich auch die ersten sechs Jahre meines Lebens verbrachte. Vor Kurzem hat es sich tatsächlich sehr spontan ergeben, dass ich nach Jahren noch einmal dort zu Besuch war. Und es war merkwürdig. Ich hätte irgendwie genauso gut durch eine fremde Stadt gehen können, diese schien aber Erwartungen an mich zu haben. Oder ich an sie, denn hier wohnte ich ja einige Zeit. Klar, mir kamen einige Straßenzüge bekannt vor und Bilder aus der Kindheit in die Erinnerung. Da sich in der Stadt allerdings viel verändert hat, erschien mir der große Teil unbekannt und das fühlte sich seltsam an. Sollte ich nicht mehr Verbindungen dazu haben, trotz aller Veränderungen? Die hatte ich aber einfach nicht. Und sie haben sich damals nach dem Umzug auch nicht ergeben, es kamen keine neuen Fäden hinzu: Die Kindergarten-Freundschaften haben sich verloren, auch aus der Familie wohnt niemand sonst in Gotha, wodurch sich viele Besuchsanlässe und Verbindungen zur Stadt ergeben könnten. Gotha ist mir fremd, trotz schöner Erinnerungen.

Aufgewachsen bin ich dann in der Nähe von Kassel, genauer gesagt etwa 30 Kilometer entfernt, in Laudenbach, einem Ortsteil von Großalmerode, mit etwa 1200 Einwohnern. Meine Eltern wohnen noch immer dort und ich schätze dieses Zuhause sehr. Dort ist es ruhig, die Nordlichter sagen bergig, und es gibt viel Natur. Schön also, um dort aufzuwachsen, aber als Teenie war so viel Grün noch kein so großer Wert. Es war zu ruhig, es fühlte sich warum auch immer nie zu 100 Prozent wie Heimat an, es zog mich in die Stadt (und das tut es ja noch immer, auch wenn ich das viele Grün mittlerweile viel mehr zu schätzen weiß). Mit 16 hat sich mein Lebensschwerpunkt folgerichtig erst einmal auf Kassel verlegt, eine erste Stadtstation also, wo ich die Oberstufe besuchte und Abitur machte. Kassel mochte ich, aber in gewisser Weise sah ich es immer als „Sprungbrett“ für die weiteren Stadt-Stationen. Heute bin ich gern dort, halte Kassel auch für eine unterschätzte Stadt, aber das Heimatgefühl klingelt dennoch nicht komplett durch.

Auf die Zeit in Kassel folgten durch das Studium Wohnungen in Düsseldorf und Münster, bis vor sehr Kurzem war Hamburg für 2,5 Jahre mein Zuhause. Nach NRW wollte ich damals nach dem Abi gar nicht, auch wenn mir die Zeit dort heute fast schicksalhaft erscheint, weil ich die Region und vor allem die Menschen sehr zu schätzen gelernt habe. Aber Hamburg, das große Ziel war immer Hamburg. Hamburg als Heimat, von der ich bereits wusste oder zu wissen glaubte, bevor ich da war. Gefühlte Heimat, schon vor Ankunft. Frage geklärt? Mitnichten.

Insgesamt hatte ich also einige Zuhause-Orte, aber eigentlich waren alle für mich immer nur Zwischenstationen auf dem Weg nach Hamburg. Hamburg, das seit ich denken kann meine Traumstadt war. Die Stadt, in der ich leben wollte und aufgrund derer ich bei den vorherigen Wohnorten immer ein wenig rastlos blieb. Teilweise hat sich für mich erst im Rückblick erschlossen, wie wertvoll die Zeit in Düsseldorf und Münster war, weil ich währenddessen immer mit halbem Herzen im Norden war.

Und obwohl ich es mir wirklich und immer wieder wünschte, wurde auch Hamburg leider nie zu meiner Heimat. Obwohl es phasenweise so nah dran zu sein schien, obwohl es so greifbar wirkte, aber doch nie war.

Was ist nun also Heimat für mich und wieso war es Hamburg nicht? Auch wieder eine schwierige Frage. Heimat bedeutet für mich ankommen, nicht mehr rastlos, sondern im Einklang zu sein, den jeweiligen Ort zu vermissen, wenn man unterwegs ist. Das Gefühl zu haben, dass man dort gerade richtig ist und nirgendwo anders richtiger sein kann. Dass dies nicht nur der Ort für diese Zeit ist, sondern dass er es auch bleiben kann und wird. Das Gefühl, dass selbst, wenn vieles schief geht, eines niemals in Frage steht: der Platz, an dem man da gerade so lebt. Für mich ist Heimat ein Gefühl. Oder eher gesagt ein Ort, der die oben genannten Gefühle hervorruft. Und das wirklich und konstant und nicht nur, weil ich es mir wünsche.

Heimat hat für mich natürlich auch etwas mit den Menschen an eben jenem gefühlten Heimatort zu tun, aber nicht ausschließlich. Und vielleicht sogar mehr mit mir, meinem Gefühl. Auch das hat mir z.B. Hamburg gezeigt: Ich habe in relativ kurzer Zeit unglaublich viele fantastische Menschen kennen gelernt und mit ihnen zauberhafte, wunderbare und einzigartige Momente erlebt. Mit einigen sind sehr enge und persönliche Freundschaften entstanden. Was die Menschen in meinem Umfeld angeht, war Hamburg traumhaft. Meine Heimat wurde es allerdings dennoch nicht. Warum, ist schwer zu sagen. Es hat irgendwie einfach nie richtig zu 100 Prozent für mich funktioniert. Und das, obwohl es eine so hervorragende Idee zu sein schien, dieses Hamburg als mein „perfect fit“. Aber so ganz eingerastet ist es nie, das Gefühl. Es blieb rutschig an der Oberfläche und so rutschte Hamburg nach und nach leider aus meinem Heimatbild heraus. In Hamburg zu leben war wertvoll, lehrreich, wunderbar, wichtig und stellenweise wahnsinnig, dennoch fühlte es sich nun auch richtig an, zu gehen. Vielleicht ist meine Hamburg-Zeit noch nicht gekommen, vielleicht kommt sie auch nie. Es war schön, in Hamburg zu sein, aber es war kein Ankommen. Und ganz sicher bedauert das niemand so sehr wie ich.

Wo nun meine Heimat ist? Das versuche ich weiterhin herauszufinden. Ironischerweise vielleicht doch in NRW, wo es mich damals aufgrund der Hamburg-Träume kaum hielt. Vielleicht wird es auch eine andere Stadt, ich weiß es nicht. Und vielleicht ist Heimat auch ein Gefühl, dass sich bei mir nur vermeintlich absurderweise auf den großen Reisen, auf die ich mich nun begeben habe, ergibt.

Ich mag den Gedanken aus „Das große Los“, das jede Stadt etwas anderes mit einem machen kann. Andere Gefühle, Eigenschaften, persönliche Aggregatzustände hervorrufen kann. Ich bin gespannt, welche Stadt das Heimat-Gefühl dann wirklich und nicht nur in meiner Vorstellung auslösen kann und wird.

Nichtsdestotrotz bin ich für jede meiner bisherigen Stationen dankbar und kehre auch an jede gern zurück. Und was die Menschen aus jeder Stadt auf meinem Weg angeht: Die habe ich bei mir, die nehme ich mit. In Erinnerungen, Gedanken, geteilten Momenten und in weiteren gemeinsamen Augenblicken. Wo auch immer. <3

2 Gedanken zu „Heimat.

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