90 Minuten, alle Emotionen.

Jungs, Jungs, Jungs. Was macht ihr mit uns? Ich werde doch auch nicht jünger. Sicher, eure enormen Adrenalinmomente gehören zu euch, gehören zum Verein und auch zu meiner Liebe für diesen Sport. Nein, genau deswegen würde ich sie objektiv nicht hergeben wollen – aber heute, jetzt, so kurz nach diesem Spiel gelingt nur der subjektive Wunsch, dass das in dieser Momentaufnahme doch anders hätte sein müssen.

Ich bin fassungslos. Wer Drama so sehr in der Spiel-DNA mit drin hat, der muss wohl auch mal so rasant, so schmerzhaft, so … ach, ich weiß doch auch nicht, so irre verlieren. 90 Minuten, alle Emotionen drin – von wahnwitziger Freude und Fassungslosigkeit auf dem Jubelteil der Skala bis hin zum völligen Unglauben über das, was da tatsächlich gerade passiert. Wenn man die zweite Halbzeit auf einem Teller servieren könnte, ihr Nachgeschmack wäre bitter.

Zum Wiederanpfiff war ich lustigerweise trotz sehr guter Ausgangslage auf einmal sehr nervös. Man weiß ja um die schwarzgelben fußballerischen Emotions-Achterbahnfahrten. Nachdem das 2:3 fiel, versuchte ich den Bildschirm in der Kneipe per Telepathie zu einem weiteren Tor für Dortmund zu bewegen, während die Kellnerin abwinkte und sagte „Ach, das ist durch.“ Nee nee, das ist Dortmund – dachte ich, sie wandte sich zur Tür, das 3:3 fiel ins Tor. Die letzten zehn Minuten, gezogen wie ein Gummiband, das immer poröser an den Kanten ausfranst. 4:3. Ende, aus, vorbei.

Ich schreibe es und kann es doch immer noch nicht glauben. Vielleicht schreibe ich es auch, um es doch irgendwie glauben zu können. Fußball, du bist ein irres Tier. Und Liverpool: Damn, what an attitude! Beeindruckend, wie Kloppos Jungs (wie merkwürdig es immer noch ist, das über ein anderes Team zu schreiben) das gedreht haben, wie sie an sich glaubten und dafür sorgten, dass das dem BVB immer weniger gelang. Wie der BVB von „sie bräuchten drei Tore“ zu wenig Druck nach vorn und vielen Fehlern in der Defensive wanderte. Fast ein bisschen wie in Trance – und so fühlt es sich vielleicht auch jetzt an. Unwirklich, irgendwie. Vermutlich braucht es solche Niederlagen für große Siege, es braucht das Komplettpaket, aber gerade das heißt nicht, dass es heute nicht sehr wehtun darf.